4 CGI Produktfilme, die uns restlos begeistern!
CGI Produktfilme, bzw. Computergenerierte Produktvideos haben sich zu einer wahren Kunstform entwickelt. Im Netz wimmelt es geradezu von atemberaubend kreativen und technisch anspruchsvollen Meisterwerken, die alle nur ein Ziel haben: Ein konkretes Produkt bewerben. Wir haben beispielhaft vier dieser Videos ausgesucht, um sie näher unter die Lupe zu nehmen. Was macht diese Videos so gut, welche kreativen Entscheidungen wurden getroffen und was für einen konzeptionellen Ansatz verfolgen sie?
1. Der Featurefilm
Project: AEG Food Processor
Production Studio: Millarc CGI
Creative Director: Dominik Banasi
Richtig solides CGI Featurefilm-Handwerk von Millarc aus Krakau in Polen. Das Team von Millarc ist spezialisiert auf genau diese Art hyper-realistischer Produktvideos.
- Der Look & Feel des Featurefilms ist, technisch, kühl und hochwertig. Das Gerät ist dramatisch und kontrastreich ausgeleuchtet. Die reflektierenden Chromflächen des Geräts kommen vor dem schwarzen Hintergrund, der durch ein paar dezente Lensflares ins bläuliche gedreht wird, perfekt zur Geltung.
- First things first! Die Produktbezeichnung erscheint ganz zu Beginn des Videos, damit der Betrachter sofort weiß, worum es geht: nämlich den AEG Gourmet Pro Food Processor. So wird sichergestellt, dass die Marke und das Gerät sofort wahrgenommen werden, auch wenn der Betrachter das Video vorzeitig beendet.
- Die Feature-Präsentationen werden jeweils über Typo-Einblendungen hervorgehoben. Außerdem zeichnet sich die Vorstellung der einzelnen Produkt-Features durch individuelle visuelle Leckerbissen aus: Die einstellbare Klinge wird mittels eines 2D Grafik-Overlays betont und der Beschichtungsvorgang der Titanklingen wird sogar mittels einer Realflow Fluid Simulation veranschaulicht. Nice!
- Ein besonderes Feature, der 1200 Watt Motor wird mittels Explosions-Shot präsentiert. Diese sind typisch für Featurefilme und immer dann hilfreich, wenn die Funktionsweise oder das Innenleben des Geräts gezeigt werden sollen.
- Ein weiteres Stilmittel der Feature-Präsentationen bilden die sogenannten Speedramps. Diese bezeichnen ein plötzliches Abbremsen oder Beschleunigen der Animation und bilden somit den Übergang in die Zeitlupe, oder genau umgekehrt, aus der Zeitlupe hinaus, zurück in die reguläre Animationsgeschwindigkeit. Zeitlupeneffekte (Englisch: Slow-Motion) sind natürlich immer dann sinnvoll, wenn extrem schnelle Abläufe und Bewegungen veranschaulicht werden sollen – wie das Rotieren einer Klinge mit mehreren Hundert Drehungen pro Minute.
- Frische Farbakzente kommen über das Erscheinen der geschnittenen Lebensmittel ins Bild und brechen spürbar mit dem sonst eher kühlen und zurückhaltenden Farbschema.
Die Besonderheit am Featurefilm ist der informative Charakter des Videos. Dass ein Produktfilm allerdings auch gänzlich anders funktionieren kann, zeigt unser nächstes Beispiel:
2. Der sinnliche Produktfilm
Project: Muuto Unfold
Production Studio: Kühl & Han
Art Direction: Kühl & Han
Sound Design: Unkwon
- Was sofort auffällt: man könnte hier zu jedem x-beliebigen Zeitpunkt Pause drücken und sich das Bild ausdrucken und großformatig an die Wohnzimmerwand hängen. Perfektion in jedem Frame!
- Und genauso geht der Film auch los. Mit einem Standbild… das dann doch keines ist. Denn die Kamera fährt langsam an und macht eine langsame Bewegung nach unten, ohne dabei die Lampe aus dem Fokus zu verlieren. Diese Bewegung öffnet den Blick in den Schirm bleibt dann für den kompletten Film auch die einzige Kamerafahrt! Alle anderen Szenen sind static shots, ohne jegliche Bewegung der Kamera. Das sorgt für unglaublich viel Ruhe im Bild, was natürlich durch die durchgängigen extremen slow motion Animationen noch verstärkt wird.
- Die Farbwelt unterscheidet sich grundlegend von der des vorigen Beispiels. Statt kühl und technisch, erwarten den Betrachter diesmal warme, gedeckte, ja erdige Farben
- Markant ist der Chiaroscuro Effekt des Lampenschirms. Chiaroscuro kommt aus dem italienischen und bedeutet übersetzt nichts anderes als „hell-dunkel“ und ist ein Gestaltungsmittel der Barocken Malerei. Ziel dieses Stils ist immer die Erhöhung des dreidimensionalen Eindrucks und der Dramatik des Bildes. So taucht eine Seite der Lampe oft in komplettes Schwarz ab, während die andere angeleuchtete Seite umso intensiver zu strahlen scheint. Durch diese eindeutige Lichtrichtung, gewinnen die Farben stark an Intensität. Das angewandt vor dem relativ hellen, flachen und einheitlich ausgeleuchteten Hintergrund kann man durchaus als ungewöhnlich bezeichnen! Ein tolles Stilmittel, um die Farben und die Geometrie des Produkts stärker wirken zu lassen.
- Denn anders als im zuvor behandelten Beispiel haben wir hier keine transparenten, glänzenden oder gar spiegelnden Teile, sondern ausschließlich mattes Silikon, was wesentlich schwieriger in Szene zu setzen ist, als Geometrien aus Chrom oder lackiertem Plastik. Aber Kühl und Han haben das mittels Chiaroscuro-Effekt und kontrastreichem Lichtset beeindruckend gelöst.
- Durch die erdigen, warmen Farben, die ruhigen slow motion Bewegungen, die haptischen Soft-Body Deformationen des Lampenschirms und nicht zuletzt die beruhigende und gleichzeitig sinnliche Musik erhält der Film einen erotischen Charakter.
Alles, womit man den Begriff „skandinavisches Design“ assoziiert, findet sich in diesem Video wieder: Schlichte Formalität, Wertigkeit, Understatement, Ruhe und Gelassenheit. Und genau für diese Ästhetik sind Kühl & Han aus Kopenhagen die Experten. Und deswegen heißen Ihre Kunden auch Hay, Muuto, Bang&Olufson und Ikea aber auch Google und Nike.
Für uns ein echtes Meisterwerk! Und endlich wissen wir auch, woher der Begriff „Product-Porn“ kommt!
Nun haben wir zwei Videos betrachtet, die auf sehr unterschiedliche Weise, ausschließlich das eigentliche Produkt zeigen. Bei beiden Videos wissen wir ab Sekunde 1 worum es geht. Anders ist dies im nächsten Video. Achtet doch gleich mal darauf, wie viele Sekunden vergehen, bis Ihr einen Clou habt, um was für ein Produkt es sich im Video handelt. Coming up next:
3. Der abstrakte Produktfilm
Project: Logitech G915 Keyboard
Production Studio: ManVsMashine
Director: Raphael Vangelis
Sound Design: Zelig
Na, ab wann habt Ihr gewusst, um welches Produkt es sich handelt? Der eigentliche Product Reveal passiert tatsächlich erst in Sekunde 27 – also exakt zur Hälfte des Videos!
- Haben wir im ersten Beispiel von Millarc ein konstantes, gleichbleibendes Setting, in dem das Produkt inszeniert wird und im zweiten Beispiel von Kühl & Han bereits changierende Farbwelten, so treibt es ManVsMashine hier auf die Spitze und wirft uns beinahe im Sekundentakt in eine neue düstere, abstrakte Welten, in kaleidoskopartige Tunnelsysteme und faltende Geometrie.
- Stets beschleunigende Kamerafahrten und Action-Cuts, also Bildschnitte im Moment der höchsten Kamerabeschleunigung sorgen für eine hohe Animationsdynamik und einen wilden Ritt durch die in sich verschachtelten Räume.
- Das anthrazitfarbene, geschliffene Metall der geometrischen Formen kontrastiert grandios mit dem pulsierenden Farbverlauf, der immer wieder das Dunkel durchbricht. So wird gekonnt das Hauptfeature des Keyboards, die Tastaturbeleuchtung in Regenbogenfarben inszeniert.
- Ganze vier Mal wird mittels Splitscreen das Konkrete neben das Abstrakte gestellt und somit das Produkt direkt mit der metaphysischen Welt verknüpft. Dies geschieht beispielsweise mittels gleichartiger Animationen und Kamerafahrten sowie identischer Farbwelten auf beiden Seiten des Splitscreens.
- Die musikalische Untermalung sowie das Sound Design sind eng mit dem Bild verzahnt und steigern ihre Dramatik kontinuierlich bis zur unausweichlichen Klimax: Dem Packshot. Hier entlädt sich die aufgebaute Energie mit einem Bassschlag und auch das Bild kommt finalerweise zur Ruhe. Grandios!
In Sachen Kamera-Animation und Schnitt-Dynamik, sucht das Video wirklich seinesgleichen. Wir haben’s uns zahllose Male angeschaut und es wird einfach nicht langweilig! Und genauso geht es uns beim vierten und vorerst letzten Video – Film ab!
4. Der Produktfilm als Musikvideo
Project: Roger Dubois – Excalibur Blacklight
Production Studio: Sehsucht Hamburg
Director: Julius Brockelmann
Sound Design: Zenthing
- Auch wenn dieser 3D Produktfilm einige Ähnlichkeiten zu dem eben besprochenen aufweist (Flug durch dunkle, abstrakte, metallische Welten, später Product Reveal, leuchtende, farbige Lichter, starke Verzahnung von Musik und Bild), so fällt ein bedeutender Unterschied sofort auf: Das Fehlen jeglicher sichtbaren Schnitte sowie die durchgängige, rückwärtsgerichtete Kamerafahrt.
- Jeder Stroboskop-Blitz sitzt exakt auf einer Snare oder einem Beat der Musik, was den Eindruck einer durchlebten Partynacht in einem Club vermittelt, womit direkt die Zielgruppe des Produkts angesprochen wird: Die ist ein Life-Style Produkt, geschaffen für die Nacht in Rausch und Extase!
- Hauptfeature der Uhr – das sagt bereits der Name, ist die Fähigkeit im Dunkeln zu leuchten. So endet das Video auch auf einem Packshot, der komplett im Dunkeln liegt – nur das schwarzlichtartige Leuchten der Uhr erhellt die Szene. Damit Du auch im Darkroom im Berghain die Zeit nicht vergisst!
- Kurz vor dem Packshot kommt es zu einem kurzen spektakulären Moment, in dem sich die Kamerabewegung für wenige Sekunden umzudrehen scheint, und der Hintergrund sich auf plötzlich beginnt auf uns zuzubewegen, während gleichzeitig die Zahnräder der Uhr an der Kamera vorbeiziehen. Dieser Effekt erinnert stark an den Vertigo Effekt, welcher durch eine bestimmte Kombination von Kamerafahrt und Brennweitenänderung zu Stande kommt und durch Alfred Hitchcocks Film Vertigo – Aus dem Reich der Toten (1958) Bekanntheit erlangt hat. Wurde er 1958 eingesetzt, um die Höhenangst des Hauptdarstellers (James Stewart) zu verdeutlichen, so dient der Effekt in Sehsuchts Werk der finalen Extase vor dem Product Reveal. Einfach meisterhaft!
Was für unfassbar tolle CGI Produktfilme! Jetzt interessiert uns natürlich brennend, welcher der Filme Euch am besten gefallen hat – und warum? Schreibt uns das doch gerne in die Kommentare!