Die ersten computeranimierten Werbespots ab 1974
CGI und Computeranimation ist aus der heutigen Werbelandschaft nicht mehr wegzudenken.
Aber wann hielten computergenerierte Bilder Einzug in die Kino- und TV-Werbung und wie sahen diese ersten 3D-animierten Gehversuche aus?
Abel & Associates 1971
Ein Pionier des computergenerierten Werbefilms war Robert Able, der 1971 gemeinsam mit Con Pederson die Produktionsfirma Abel & Associates in Hollywood, Los Angeles gründete.
Der Slitscan Effekt
Für Ihre ersten computeranimierten Werbefilmproduktionen fokussierten sich Abel und Pederson unter anderem auf den sogenannten Slitscan Effekt. Der Slitscan Effekt ist ein mit Hilfe einer optischen Schlitzmaske und eines beweglichem Kameraschlittens hergestellter, mechanischer, „in-camera“ -Spezialeffekt. In der Form entwickelt und erstmals eingesetzt vom legendären Special Effects Supervisor Douglas Trumbull, für die Stargate Sequenz von Kubricks 2001: Odysee im Weltraum.
Die psychedelisch wirkenden Farbflows und bewegten Streaks von Trumbells Slitscan Effekt in 2001: Odysee im Weltraum etablieren einen einzigartigen visuellen Sogeffekt, der den Zuschauer hineinzieht, in die Reise durch den Raum:
In einem seiner ersten TV-Commercials kreierte Abel dann einen ganz ähnlichen Look der überstrahlten, sehr gesättigten Farben und der farbigen Streak-Effekte.
7Up ‚Bubbles‘ – 1974
Im 7Up Bubbles Spot von 1974 etablierten Able & Associates eine aufregende neue Bildsprache, die in der Branche als „Apple-Candy-Neon-Look“ bezeichnet wurde:
Der 7Up Spot stellt einen echten Wendepunkt in der Werbefilm-Ästhetik dar. Erstmals wurden verschiedene Techniken wie Rückprojektion, LiveAction-Elemente, Video-Feedbackschleifen, hinterleuchtete Grafik sowie Streak- und Slitscan Effekte zu etwas kombiniert, das man höchstwahrscheinlich als die erste Motion Grafics Werbung und damit die Begründung eines neuen Genres bezeichnen kann.
Zumal Glow-, Streak- und Feedback-Effekte sich bis heute als grundlegende Gestaltungsmittel im Werkzeugkasten jedes Motion-Designers erhalten haben. Auch wenn sie heute mittels bestehender Softwares und Plugins natürlich deutlich einfacher herzustellen sind.
Vektoranimation vs. Rastergrafik
Abels Spot „Energy Building“ für AT&T aus dem Jahr 1980 verwendet wie die meisten frühen 3D-Animationen Vektoren anstelle von Bitmap-Grafiken, hauptsächlich um Renderzeit zu sparen. Essentiell in einer Zeit, in der Computer immens teuer waren und im Vergleich zu heute nur einen kleinen Bruchteil der Computing-Power besaßen.
Zur Realisierung früher Vektoranimationen verwendete man spezielle Vektorgrafik-Displays die Drahtgitter-Animationen in Echtzeit wiedergeben konnten. Allerdings waren die Darstellung dieser Displays ausschließlich einfarbig: Um mehrfarbige Verktoranimations-Sequenzen zu produzieren, behalf man sich daher eines cleveren Workarounds. Man unterteilte die Vektoren in Farbgruppen innerhalb separater Dateien. Diese wurden dem Vektorgrafik-Display separat zugespielt und jeweils mit einem entsprechenden Farbfilter vor der Kameralinse, vom Display abgefilmt. Am Ende der Sequenz wurde der Film zurück gespult und die nächste Farbgruppe wurde abgedreht.
AT&T ‚Energy Building‘ – 1980
Ein eindrucksvolles, frühes Beispiel für den Einsatz der beschriebenen Vektoranimations-Methode, ist der TVC „Energy Building“ für AT&T aus dem Jahr 1980. Der Clip zeigt gut sichtbar die Einteilung der Vektoren in verschiedene Farbgruppen (Grün, Blau, Rot):
Auch bei diesem AT&T Spot wurde von Abel & Associates wieder ein wegweisender Animationslook etabliert, der sich in seinen Grundzügen bis heute in modernen Motiondesign-Projekten wiederfindet. Grade wenn es um Netzwerk-Darstellungen und um Connectivity geht. Connection-Lines aus Lightstrokes kommunizieren bis heute technologische Innovation, wurden aber bereits 1982 von Abel & Associates zur Vermarktung von AT&Ts analogen Leitungen verwendet.
Maxfli DDH ‚Energy‘ – 1982
1982 produzierte A&A diesen computeranimierten TV-Spot für einen Golfball-Hersteller.
Das besondere an dem Clip ist die Kombination einer realen Produktaufnahme des Golfballs mit darüber gelayerten computergenerierten Grafiken, zur Visualisierung der speziellen Produktfeatures des Sportgeräts.
Das Modell des Golfballs, das etwa die größe einer Melone hatte, wurde real im Studio gedreht und händisch rotoskopiert, beziehungsweise vom Hintergrund freigestellt.
Das Alleinstellungsmerkmal des Maxfli Golfballs, seine speziell konstruierte Oberfläche, wurde dann mittels Computergrafik visuell hervorgehoben. Zusätzlich bewegt sich die Grafikebene mit dem sich drehenden Ball mit, wurde also getracked, oder gematchmoved. Die Synchronisierung des computergenerierten Bildanteils mit der Bewegung des Realbild-Anteils war seinerzeit eine echte Besonderheit, weil immens aufwändig. Der Maxfli-Spot zeigt Liniengrafikanimationen zur Erläuterung technischer Produktfeatures – ein bis heute enorm beliebtes Stilmittel im Motion Design.
Zum Ende des computeranimierten Werbefilms werden wieder die bekannten Streak-Effekte genutzt, die an den Slitscan Effekt aus Kubricks Stargate-Sequenz von 2001: Odysee im Weltraum erinnern. Auch in diesem Anwendungsfall werden sie wieder zu Visualisierung von Beschleunigung und Geschwindigkeit verwendet.
CFID ‚Brilliance‘ – 1985
Das bekannteste Werbefilm-Werk Abels ist sicherlich Brilliance, der erste full CGI, also voll 3D animierte Superbowl-Webespot der Welt.
1984 produzierte Abel & Associates für den Canned Food Information Council (CFID), einen Werbespot namens Brilliance. Die Produktion sollte während der Übertragung des Super Bowls am 20. Januar 1985 ein Millionenpublikum erreichen.
Um dem schlechten und altmodischen Ruf von Konserven entgegenzuwirken, plante die Agentur Ketchum Advertising die computeranimierte Darstellung eines sexy-futuristischen, Roboter-Characters. Ein raumfahrender Roboter, welcher sich im Jahr 3000 einem Candlelight-Dinner aus der Dose hingibt. Hier das beeindruckende Making-Off der Produktion inkl. Originalstimmen der beteiligten Crew:
Das besondere an dem Spot ist vor allem die sehr smoothe und menschengleich animierte Bewegung des Roboter-Characters. Erreicht wurden die flüssigen Bewegungsabläufe mit einer Frühfrom des Motion Capturings.
Eine reale Darstellerin wurde mit Trackingpunkten versehen und ihre Bewegungen wurden aufgezeichnet, getracked und auf ein Vektormodell des Roboters übertragen.
Die damals sehr ungewöhnliche Ästhetik der glatten, reflektierenden Oberflächen der Rastergrafik-Renderings zahlte zusätzlich ein auf die futuristische Anmutung des Spots.
Eine wahnsinnig innovative und aufwändige Produktion, die nach allem was man liest offenbar ein Millionen-Dollar-Budget verschlang. Und dabei nur ein einziges Mal, zum Superbowl 1985 ausgestrahlt wurde.
Ob es sich für die Konservenindustrie gelohnt hat, ist aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar. Der full CGI Spot war auf jeden Fall ein Meilenstein des computeranimierten Werbefilms. Gerade wenn man sich vor Augen führt, dass der erste voll 3D animierte Spielfilm mit Pixars Toy Story erst 10 Jahre später, im Jahr 1995 folgte.
Fazit
Die Geschichte der computeranimierten Werbung ist eine faszinierende Reise durch Technologie und Kreativität. Von den Anfängen in den 1970er Jahren, als rudimentäre Renderings mit extremen Produktionsaufwänden erstellt wurden, bis zur heutigen Multimedia-Welt, in der fotorealistische computergenerierte Bilder allgegenwärtig sind und Animationen für jedermann zugänglich werden, beispielsweise durch Online-Tools zur Erstellung von Grußanimationen, hat diese Technologie die Film- und Werbebranche revolutioniert. Auch in Zukunft werden Produktionsprozesse beispielsweise durch den Einsatz von KI vereinfacht und beschleunigt, was Marken und Unternehmen den Zugang zu computergenerierten Bildern erleichtert und es ihnen ermöglicht, ihre Geschichten auf immer innovativere Weise zu erzählen.